Sutra II,2 - II,5

Sutra II,4:
अविद्या क्षेत्रमुत्तरेषां प्रसुप्ततनुविच्छिन्नोदाराणाम्
avidyā kṣetram-uttareṣām prasupta-tanu-vicchinn-odārāṇām

Mögliche Übersetzung: Avidya, Unwissenheit, Mangel an wahrem Wissen, ist der Ursprung aller anderen Kleshas, aller schwachen, unterbrochenen, unterschwelligen und aktiven Leiden.

Sutra II,5:
अनित्याशुचिदुःखानात्मसु नित्यशुचिसुखात्मख्यातिरविद्या
anityâ-ashuchi-duhkâ-anâtmasu nitya-shuci-sukha-âtma-khyâtir avidyâ

Mögliche Übersetzung: Durch Avidya, Unwissen, verwechselt man Vergängliches mit Unvergänglichem, Unreines mit Reinem, Schmerz mit Lust, das Selbst mit dem Nicht-Selbst (Ego). All das ist Mangel an spirituellem Wissen.

Patanjali sagt uns hier, dass der Kriya-Yoga uns anleitet, zu meditieren und alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sodass wir zu vollem Leben erweckt werden und Samadhi erfahren. Dazu müssen wir Unwissenheit überwinden, die der Ursprung für alle anderen Hindernisse und Leiden ist: für ein stolzes Ego, Anhaften an Lust und Begierden, Festhalten am physischen Leben. All dies stört unser Bewusstsein. All diese Leiden sind entweder intellektueller Natur (also vom Verstand geleitet), emotionaler oder instinktiver Natur. Wenn wir emotional geleitet werden, verlieren wir oft das rechte Maß für die Dinge, sind nicht mehr urteilsfähig, sondern erliegen Angst oder gar Wut und Haß. Diese Emotionen schaffen Disharmonie in Körper und Gemüt, so dass psychische und auch physische Krankheiten entstehen.

In unserem Gehirn sind verschiedene Regionen für diese Verhaltensmuster zuständig. Ein Mangel an spirituellem Wissen entspringt oftmals einem hohen Intellekt (vorderer Teil des Gehirns, bewusstes Denken), der, wenn aufgebläht in einem stolzen Ego (Scheitelgegend) zu entsprechendem Verhalten führt. Emotionale Disharmonien haben ihren Ursprung im Hypothalamus (Basis des Gehirns). Todesangst, Lebenstrieb entspringt dem Stammhirn, wo die Instinkte verankert sind.

Avidya, spirituelle Unwissenheit ist Ursache für Hochmut, Gier, Widerwille und Todesangst bzw. Lebenstrieb. Egal, wie stark ausgeprägt diese sind, so stehen sie immer der Erleuchtung im Weg. Patanjali sagt deshalb auch, dass Avidya der Nährboden aller Leiden ist.

So wie im irdischen Leben vieles ausprobiert werden muss, wir irren und hinfallen, wieder aufstehen und von Neuem beginnen, so ist auch der sprirituelle Weg kein gerader, sondern ein Prozeß mit "Try and Error" - "Versuch und Irrtum". Wenn wir durch die beständige und beharrliche Übungspraxis von Yoga und Meditation alle Zweifel beseitigt haben, entsteht wahres Wissen und wahre Unterscheidungsfähigkeit. So erreichen wir "vidya", höchstes Wissen.

So wünsche ich dir eine beständige und intensive Übungspraxis und einen guten Weg zur höchsten Weisheit. VIDYA.